„Fehlgeburten“-Studie: kommt schon die nächste Welle der Cannabis-Hetze?

Spermien und ein keimender Cannabissamen

Eine neue Cannabis-Studie, deren Inhalt es einmal genauer zu betrachten gilt, geistert seit Kurzem durch die deutschsprachigen Medien. Bisher nur in wenigen (Online-)Zeitungen zu finden (z. B. standard.at und lessentiel.lu), steht dennoch zu befürchten, dass wir gerade nur am Anfang der üblichen Abschreiborgie stehen, an deren Ende mal wieder jedes zweite deutschsprachige Magazin die Inhalte mehr oder weniger ungeprüft übernommen und unter einer reißerischen Headline zusammengefasst haben wird. Die Überschrift, für die sich die beiden beispielhaft genannten Nachrichtenseiten entschieden haben, lässt dabei nix Gutes erahnen. „Marihuana-Konsum führt zu mehr Fehlgeburten“ so brüllt es den Leser in fetten Lettern an und das bleibt natürlich schon mal hängen, ganz egal, ob der Artikel im Anschluss dann überhaupt noch gelesen wird oder nicht.

Schade! Denn nur, wer sich die Mühe macht, erfährt, dass es hier gar nicht um natürliche Schwangerschaften geht, sondern um künstliche Befruchtungsprozesse und selbst da auch nur um die Hälfte der Betroffenen, den Frauen mit Kinderwunsch, während für Männer offenbar das Gegenteil gilt. Die Studie, die über einen Zeitraum von 13 Jahren von Bostoner Wissenschaftlern durchgeführt wurde, spricht von einer „signifikant“ höheren Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt bei Frauen, die zu Beginn der künstlich eingeleiteten Schwangerschaft Cannabis konsumierten. Zur Einordnung: im Jahr 2015 entschieden sich bundesweit gut 95.000 Frauen für einen solchen Schritt. Das Studien-Ergebnis soll hier nicht verharmlost werden, nur ist es eben doch etwas anderes als das, was die Headline dem Leser suggeriert. Zudem muss auch erwähnt werden, dass die Zahl der Probanden mit 421 Frauen (davon 200, deren Partner ebenfalls Teil der Untersuchung war) nicht gerade hoch war und Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung dementsprechend nicht zulässig sind. Das wird von den Machern der Studie auch so kommuniziert, ebenso wie die Tatsache, dass der Marihuanakonsum der Probanden nur erfragt und nicht mit Tests überprüft wurde.

Interessant aber auch das zweite Ergebnis der Untersuchung: bei Cannabis konsumierenden Männern, deren Samen der Partnerin auf künstlichem Wege eingesetzt wurde, erhöhten sich laut Studie die Chancen auf ein gesundes Kind im Gegensatz zu ihren Geschlechtsgenossen ohne Vorliebe für Cannabis. In Teaser und Überschrift der beiden exemplarisch untersuchten Artikel sucht man jedoch vergeblich nach dieser Information, die die ganze Studie in einem anderen Licht erscheinen lässt. In den letzten zwei bis drei Zeilen wird man dann fündig.

Also, eine inhaltlich akkurate Überschrift wäre ja demnach: „Marihuana-Konsum erhöht Fehlgeburtenrate bei künstlichen Befruchtungen bei Frauen, für Männer gilt das Gegenteil“. Aber klar, das ist nicht knackig genug, da ist eine Reduzierung nötig, das verstehen gerade wir vom Highway-Magazin. Die Redaktion schlägt die folgende Modifizierung vor: „Studie belegt: Männer sollten vor künstlicher Befruchtung Marihuana konsumieren“ oder, noch etwas handfester: „Cannabis senkt Fehlgeburtenrate“. Das wäre im Grunde kaum weniger irreführend als die Original-Headlines.

Es wird interessant sein zu beobachten, wie viele deutschsprachige Medien sich der Studie in den nächsten Tagen und Wochen noch annehmen werden und welche Überschriften ihnen so einfallen.

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